Haushalt 2023

Unsere Haushaltsrede zum Haushalt 2023 während der Stadtratssitzung am 06.07.2023:

Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender,

sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Verwaltung,

liebe Ratskolleginnen und -kollegen,

liebe Gäste,

zum Abschluss einer Haushaltsdebatte ist es bei uns guter Brauch, allen Beteiligten ausdrücklich zu danken. Unsere diesjährige Haushaltsdebatte war beispiellos kurz. Sie war durch die interne Softwareumstellung auf eine echte doppische Darstellung zusätzlich verwirrend und glich in manchen Teilen mehr einem Sprint durchs kalte Wasser, als einer gut sortierten Beratung. Dennoch liegt uns heute ein Ergebnis vor, das nicht nur der Form halber den Ansprüchen genügt. Dafür gilt unser Dank ausdrücklich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung. In einem Haushalt stecken normalerweise viele Monate der Planung, des Abwägens und letztendlich auch der Prioritätensetzung. Ein Prozess, der im besten Fall die gesamte Verwaltung mitnimmt. Heute können wir über den Haushalt 2023 beschließen. Unser besonderer Dank gilt hierfür auch Frau Hollmann-Koeppen und ihrem Team im Amt für Finanzen.

Stellt sich also die Frage: Sind wir auf dem richtigen Kurs?

Mit unseren Haushalten befinden wir uns aktuell in der stürmischen See des kommunalen Haushaltsrechts. Mangelndes nautisches Geschick, haushaltsrechtliche Fehleinschätzungen und blindes Vertrauen der verschiedenen Verantwortlichen in den zurückliegenden Jahren haben uns in diese missliche Lage gesteuert, aus der wir jetzt nur noch mit vereinten Kräften herauskommen. Welch ein Segen, dass unser Stadtschiff bei all diesen Unwägbarkeiten augenscheinlich nach wie vor solide ist. Den finanzpolitischen Untergang müssen wir nicht fürchten, wenn wir die politischen Segel jetzt endlich auf einen klaren Kurs setzen! 

Keine Sorge, ich werde diese Schiffsmetaphorik nicht überstrapazieren, aber sie verdeutlicht sehr gut, dass wir uns in einer außergewöhnlichen Situation befinden, aus der wir mit alltäglichen Mitteln nicht mehr herausfinden. Von uns sind heute und in nächster Zeit mutige Grundsatzentscheidungen gefragt, die lange nachwirken werden.

Was prägt diesen Haushalt?

Wir starten langsam, aber mit zunehmender Geschwindigkeit in die Umsetzung des Integrierten Stadtentwicklungs- sowie des Verkehrsentwicklungskonzepts. Dieser Prozess alleine wird einen erheblichen Teil unserer Investitionen in den kommenden 15 Jahre ausmachen. Mit dem vorliegenden Haushalt legen wir bereits fest, dass 2024 Mittel in Höhe von 1.800.000 €, 2025 Mittel in Höhe von 2.700.000 € sowie 2026 Mittel in Höhe von 3.300.000 € hierfür bereitgestellt werden. Die hieraus erwachsenden Maßnahmen sind essentiell dafür, ob unsere Innenstadt als zentraler Ort unserer Stadtgesellschaft eine Zukunft hat. Das alte Konzept einer reinen „Einkaufsmeile“ trägt nicht mehr. Die gestiegenen Erwartungen an Erlebnis- und Aufenthaltsqualität reihen sich hier gleichbedeutend ein. Diesem werden wir nur gerecht werden können, wenn wir uns dem Gedanken eines lebendigen grünen Bandes vom Heimathausgelände bis zum Neuen Markt öffnen, den dafür notwendigen Gestaltungsraum durch ein am Rand der Innenstadt zentralisiertes Parkraummanagement gewinnen und die unterschiedlichen Verkehrsströme zielführend priorisieren.  

Wenn wir unter die Erde schauen, bleibt nur ernüchternd festzustellen: Unsere Kanalisation ist offensichtlich am Ende. Wenn wir Grünen von einem Schwammstadtkonzept sprechen, dann doch eher mit dem Ziel eines zeitgemäßen Hochwasser- und Hitzeschutzes, als mit dem Gedanken, dass auch unser Schmutzwasser einfach in der Erde verschwindet. Aktuell müssen wir davon ausgehen, dass ein Großteil unseres Kanalnetzes marode ist. Dies ist das Ergebnis eines seit Jahrzehnten fehlenden Instandhaltungsmanagements, dessen Aufbau nun in kürzester Zeit vollzogen werden muss. Hierfür stellen wir die notwendigen Mittel bereit. 

Ehrenamtliches Engagement ist der Kitt für unseren Zusammenhalt als Stadtgesellschaft. In unseren sozialen und sportlichen Initiativen und Vereinen schlägt das ehrenamtliche Herz Rotenburgs. Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass diese nachhaltig unterstützt werden. Hierzu zählen für uns auch unsere freiwilligen Feuerwehren. Die Beibehaltung der finanziellen Leistungen in diesem Bereich, trotz der angespannten Ergebnislage im ordentlichen Haushalt, findet unsere ausdrückliche Unterstützung.    

Wenn wir uns bei unseren Nachbarn umsehen, findet sich in allen Rathäusern bereits Fachpersonal für Klimaschutzfragen. Nun soll es mit dem vorliegenden Haushalt auch endlich in Rotenburg so weit sein. Reichlich spät, aber hoffentlich nicht zu spät. Eine Klimaschutzmanagerin oder ein Klimaschutzmanager ist dabei für eine Kommune inzwischen weit mehr als das grüne Sahnehäubchen. Sie erarbeiten ein ortspezifisches Klimaschutzkonzept, welches uns zum einen die notwendigen Anpassungen an den laufenden Klimawandel ermöglicht und zum anderen den Schlüssel zu einer milliardenschweren Förderkulisse in Bund und Land darstellt. Nach mehreren vergeblichen Anläufen eine strategisch dringend notwendige Entscheidung, die wir sehr begrüßen.    

Der Blick auf die zuletzt stark gestiegenen Energiepreise, die auch unseren Haushalt schwer belasten, ist in diesem Zusammenhang ein hervorragendes Praxisbeispiel. Denn lägen uns die Ergebnisse des jüngst erst angestoßenen Energiemanagements bereits vor, sähe es mit der Energieeffizienz unserer kommunalen Gebäude vielleicht schon deutlich besser aus. Wir müssen uns jetzt schnellstmöglich auch auf den Weg machen, unsere geeigneten Dächer flächendeckend mit Photovoltaikanlagen zu bestücken und die Kriterien für Freiflächen-Photovoltaikanlagen abschließend zu beraten. Gerade hier sehen wir unsere Stadtwerke als wichtigen Innovator und appellieren an alle Grundstückseigentümer, geeignete Flächen als erstes unseren Stadtwerken anzubieten. So gelangen wir zu einer Win-win-Situation der Erneuerbaren Energien, die allen Rotenburgerinnen und Rotenburgern zugutekommt. 

Im Bildungsbereich ist unsere Stadt stark aufgestellt. Wir tragen Verantwortung für zwei Krippen, sechs Kitas, drei Grundschulen, unsere Integrierte Gesamtschule, die VHS sowie die Stadtbibliothek, deren Arbeit wir mit erheblichen finanziellen Mitteln über unseren Haushalt ermöglichen. Jeder hierfür bereitgestellte Euro zahlt sich für unsere Gesellschaft mehrfach aus. Personalengpässe, weitere Anpassungen der Betreuungszeiten sowie die bevorstehende Ganztagsverpflichtung im Grundschulbereich stehen beispielhaft dafür, dass wir in den kommenden Jahren höchstwahrscheinlich noch einmal eine Schippe drauflegen müssen. Dieser Herausforderung werden wir uns alle miteinander stellen müssen.      

Als ein grünes Kernthema haben wir den Umweltschutz stets fest im Blick. Dieser erübrigt sich auch keineswegs durch verstärkte Bemühungen im Klimaschutz und erst recht kann beides nicht synonym gesetzt werden. Aufgaben, wie bespielweise Biotopvernetzung und Flächenentsiegelung werden uns auf absehbare Zeit in einem Maße fordern, dass wir ihnen nur mithilfe eines systematischen Biodiversitätsmanagements gerecht werden können. Aktuell nimmt unsere Stadt auch am Projekt „Nachhaltige Kommune“ teil. Im Haushaltsbereich ist die Überprüfung der geplanten Ausgaben auf ihre Nachhaltigkeit hin an sich ein fester Bestandteil einer nahhaltigen Kommune. Über kurz oder lang werden wir uns auch dieser Aufgabe in Form von jährlichen Nachhaltigkeitsberichten widmen müssen. Unser Eindruck ist allerdings, dass wir im Umweltschutz in den letzten Jahren eher an Fahrt verloren haben, obwohl der Bedarf mit jedem Jahr wächst. Hier werden wir daher unter Einbezug der Naturschutzverbände zeitnah die Ist-Situation und die notwendigen Zielsetzungen bewerten und ggfs. notwendige Maßnahmen anstoßen.

Zum Schluss noch einen Blick in Bereiche, die nach Außen oftmals kaum wahrgenommen werden. Die sogenannten Querschnittsaufgaben, wie sie beispielsweise die Finanz- und Personalverwaltung sowie inzwischen auch die Digitalisierung darstellen, rücken erst dann in den Blick, wenn die Verwaltung als Ganzes nicht mehr rund läuft. Das wir in Rotenburg gerade genau an diesem Punkt stehen, ist inzwischen allen bekannt. 

Die Umstellung auf die doppische Haushaltsführung wurde formal erst 2012 auf den allerletzten Drücker umgesetzt – in der Praxis kämpfen wir uns gerade erst richtig rein. Das heute der Jahresabschluss 2012 den ersten Abschluss eines doppischen Haushalts unserer Stadt überhaupt markiert, mit elf Jahren Verzögerung, zeigt deutlich die Dimension dieses Problems. Erst wurde sich in Rotenburg gegen die Umstellung auf das neue kommunale Rechnungswesen gesträubt, dann wurde die rechtzeitige Implementierung verschlafen und letztendlich wurde das immer stärker anwachsende Problem an den Rand gedrängt, bis es die Kommunalaufsicht nicht mehr akzeptierte. Die Auswirkungen lassen sich heute beispielsweise durch die lähmenden Phasen der vorläufigen Haushaltsführung oder dem Schaden durch die seit längerer Zeit ausstehenden Gebührenkalkulationen nachvollziehen. 

Wie es auch anders geht, lässt sich aktuell an den noch jungen Ergebnissen im Bereich der Verwaltungsdigitalisierung und Öffentlichkeitsarbeit nachvollziehen. Mit Herrn Grünberg als Inhaber der 2022 neu geschaffenen Stelle für „Verwaltungsdigitalisierung“ und Frau Beims als Inhaberin der erst dieses Jahr neu geschaffenen Stelle für „Öffentlichkeitsarbeit“, haben beide Bereiche heute erste Dynamiken entwickelt, die ihnen angemessen sind. Die komplett überarbeitete Internetseite strahlt hier bereits im Besonderen nach außen. Im nächsten Schritt ist hier nun eine kommunale Digitalisierungsstrategie anzugehen. Denkbar wäre über kurz oder lang auch eine stärkere Verknüpfung mit der Wirtschaftsförderung, da sowohl die öffentliche Kommunikationsfähigkeit als auch die digitale Leistungsfähigkeit einer Kommune für viele Unternehmen inzwischen KO-Kriterien ihrer Standortentscheidung sind.     

Insgesamt hatten wir im Personalbereich in den zurückliegenden Jahren allerdings immer wieder Sand im Getriebe, der jetzt, so der momentane Stand, Stück für Stück wieder verschwindet. Das dieses Problem nicht nur einem zunehmenden Fachkräftemangel, sondern auch hausgemachten Entscheidung entspringt, drängt sich bei einem Blick auf die Personaldeckungsquote auf, die unsere Personalausgaben zu unseren Erträgen ins Verhältnis setzt. Lag diese bis 2019 in der Regel zwischen 28 und 30 Prozent so rutschte sie danach auf 26,43 Prozent im Jahr 2022 ab. Wenn bei stetig wachsenden Aufgaben, Personalausgaben sogar noch rückläufig sind, entstehen die Kosten zwangsläufig an anderer Stelle. Im Zweifel leidet sogar die Leistungsfähigkeit der gesamten Verwaltung. 

Wo wir hinkommen müssen!

Mit Blick auf die aktuelle Lage und die dargestellten Herausforderungen wird mehr als klar: Wir brauchen zukünftig eine aktive und systematische Organisations- und Personalentwicklung. Wir, das heißt für unsere Fraktion, sowohl die hauptamtliche Verwaltung als auch uns selbst als ehrenamtliche Entscheidungsträger mit einzubeziehen. Unsere gemeinsamen Initiativen im Rahmen dieser Haushaltsberatungen können hierfür als gute Vorlage für die Zukunft dienen. 

Grundsätzliche Orientierung kann uns das Leitkonzept einer Bürgerkommune geben, das durch die KGSt, die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement in Köln, in Fortentwicklung des bekannten Leitkonzeptes einer Dienstleistungskommune von Beginn der 1990er-Jahre, in den letzten zehn Jahren bereitgestellt wurde. 

Im Alltag gewinnen hierdurch zunehmend eine aktive Zielsteuerung sowie ein aktives Beteiligungsmanagement bei Grundsatzentscheidungen an Bedeutung. Zugleich gilt es agile und vernetzte Arbeitsprozesse zu fördern, um auf die inzwischen transformativen Veränderungsprozesse unserer Gesellschaft reagieren zu können. Permanente und teilweise unvorhersehbare Veränderungsprozesse bilden inzwischen den neuen Normalzustand. Die damit verbundenen Dynamiken verunsichern viele Menschen, erschweren kleinteilige Steuerungsansätze und lassen sich nur mittels einer permanenten systematischen Organisations- und Personalentwicklung beherrschen. 

Um es abschließend noch einmal auf den Punkt zu bringen: Rotenburg ist Kreisstadt! Eine solche Stadt lässt sich unter den heutigen Bedingungen nicht mehr kleinteilig steuern. Sie bedarf einer agilen Verwaltung, eines aktiven Beteiligungsmanagements und der Einbindung vieler Interessen. Der Schlüssel zu ihrer erfolgreichen Zukunft als Bürgerkommune liegt daher in einer professionellen strategischen Steuerung. Hierüber müssen wir nach der Sommerpause ins Gespräch kommen.  

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE. stimmt dem Haushalt 2023 zu. Vielen Dank!

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